2014
Während der zweiten Wettbewerbsphase haben wir die shortlist-Teams gebeten vier Fragen zu Ihrem Zugang zu Themenfeldern des Superscape zu beantworten und einen ersten Einblick auf die Projekte zu gewähren.
Nikolas Kichler und David Steinwender arbeiten am Projekt "City of Workshops".
1 | Was macht Städte lebenswert?
Lebenswerte Städte bieten neben den privaten Rückzugsorten eine Vielfalt an leicht zugänglichen, kollektiv-nutzbaren Räumen. Diese Orte sind heterogen im gesamten Stadtraum enthalten und schließen die gebaute wie grüne Umwelt mit ein. Jenseits der üblichen Verwertungszwänge und Hierarchien entsteht für nahezu alle Bedürfnisse ein breites Angebot, da die Bevölkerung sich dieses inklusiv und selbst zu Verfügung stellt. Dieser offene und intrinsische Zugang bewirkt nicht nur kreative Entfaltung im Stadtgefüge, sondern ermöglicht auch erhöhtes Verantwortungsbewusstein sowie gegenseitiges Vertrauen in unterschiedlichen Produktionsweisen. Kooperation, Handlungsdichte, Spontanaktivität sowie Kommunikation sind im Überfluss vorhanden. Das gute Leben für alle in resilienten Strukturen entspringt einer täglich gelebten Praxis.
2 | Welche Rolle nehmen Partizipation und Kollaboration in Ihrem Zugang zur Architektur ein?
Eine Workshopkultur entsteht in Abstimmungsprozessen zwischen initiierenden Betroffenen, fachkundigen EnthusiastInnen sowie der digitalen Welt (P2P, Wikis, Open Design, Open Hardware, Open Architecture, Wissens-Datenbanken, Feedbackkultur). Miteinander verwobene Nachbarschaftskreise kümmern sich polyzentrisch um die Abstimmung von großräumigen Infrastrukturen und stehen der lokalen Entscheidungsfindung zur Seite. Die in den Workshops stattfindenden Prozesse gestalten den Ressourcenbezug (nachwachsende, commons-schaffende Materialienpools) ebenso, wie dessen zyklische Nutzung, entsprechende Verarbeitungsmethoden und konkrete Anwendungen. Falls benötigte Tätigkeiten nicht gerne übernommen werden oder notwendiges know-how fehlt, werden in Forschungsbereichen Lösungsansätze (z.B. neue Arbeitskoordination, Automatisierungen, Rationalisierungen,...) erarbeitet. Verständigungsorientierte Konfliktlösungsmechanismen und -räume nehmen einen wichtigen Stellenwert im sozialen Miteinander ein.
3 | Wie kann Architektur dazu beitragen in urbanen Konflikten, wie etwa zwischen historischem Bestand und Transformationsprozessen, Gentrifizierung oder unterschiedlichen Raumnutzungsinteressen zu moderieren?
Architektur ist materialisierter Ausdruck zeit- und gesellschaftsspezifischer sozialer Beziehungen. Zu moderieren sind daher menschliche AkteurInnen sowie die von ihnen geschaffenen (sozialen und gesetzlichen) Rahmenbedingungen, welche wiederum bauliche Formen (re)produzieren. Wenn eine geteilte zur teilenden Gesellschaft wird, verringert sich die Wahrscheinlichkeit von Gentrifizierung und anderen Raumnutzungskonflikten. Konstrukte wie das Mietshäuser-Syndikat oder Community Land Trusts schützen vor externen Störungseinflüssen. Wie in Open Source Communities, wo stabile Strukturen auf Freiwilligkeit basierend erzeugt werden, spielt die Rolle der Reputation auch in diesen Prozessen eine zunehmend wichtige Rolle. Konflikte implizieren Potentiale, für deren Realisierung gute Lösungsmechnismen maßgeblich sind. Moderierend wird Architektur dann, wenn Laien die Möglichkeit haben sich Räume situationsangepasst einzurichten.
4 | Welche Paradigmenwechsel zeichnen sich aus Ihrer Perspektive im urbanen Gefüge ab?
Die multiple Krise (Energie, Klima, Wirtschaft, Ernährung und Ressourcenübernützung) wird nicht nur erkannt, sondern auch ernst genommen. Dies führt zur Transformation individueller und letztlich gesellschaftlicher Praxen. Beispielsweise gestaltet sich eine nachhaltige, bedürfnisorientierte Produktion und Verteilung so lokal wie sinnvoll möglich. Gegenüber der tatsächlichen Nutzung einer Ressource rückt die Relevanz von Eigentum in den Hintergrund. Zugleich wird Arbeit so gestaltet, dass sie als herausfordernd, abwechslungsreich und erfüllend erlebt und letztlich von Freiwilligen erbracht wird. Produktionsprozesse werden dezentral reorganisiert, um langlebige, modulare und adaptierbare Erzeugnisse zu schaffen. Eine ausgeprägte Feedbackkultur dient der Qualitätssicherung. Verschiedenheit schafft Verbindung anstelle von Trennung. Die zentrale Frage wird nicht mehr sein, wo Zeit bestmöglich gespart werden kann, sondern in welcher Weise Menschen ihre Zeit gerne verausgaben möchten.